Strenge Anforderungen an Aufbrauchfrist bei Patentverletzung (BGH X ZR 114/13 – Wärmetauscher)

Deutschland

Bei einer Patentverletzungsklage stellt der Patentinhaber regelmässig den Antrag, dem Patentverletzer die widerrechtlichen Handlungen zu verbieten. Deutsche Gerichte haben in der Vergangenheit solchen Anträgen ohne weiteres und mit sofortiger Wirkung stattgegeben, wenn die Verletzung bestätigt worden ist. In seinem kürzlichen Urteil „Wärmetauscher“ hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob dem Verletzer eine Aufbrauchfrist gewährt werden kann.

Ein Patentverwertungsunternehmen hatte von dem Erfinder dessen 1996 angemeldetes Patent für eine Nackenheizung für Cabriolets übernommen und aus diesem Patent eine Verletzungsklage gegen einen Zulieferer und den belieferten Automobilhersteller erhoben.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Die patentierte Lehre sei weder wortsinngemäss noch äquivalent benutzt.

Dagegen ging der Patentinhaber in die Revision beim Bundesgerichtshof (BGH). Dieser kommt zum Schluss, dass eine äquivalente Patentverletzung vorliegt. Und er gewährt auch den Unterlassungsanspruch. Den Antrag der Verletzer, ihnen eine Aufbrauchfrist zuzugestehen, lehnt der BGH ab.

Einleitend räumt das Gericht ein, dass im Allgemeinen, zum Beispiel in Wettbewerbsstreitigkeiten, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Aufbrauchfrist in Betracht kommt, wenn dem Verletzer bei sofortiger Wirkung des Verbots unverhältnismässige Nachteile entstünden und die befristete Fortsetzung des widerrechtlichen Verhaltens für den Verletzten keine unzumutbare Beeinträchtigungen mit sich bringt. Inwiefern eine Aufbrauchfrist bei Patentverletzungen in Betracht kommt, hat der BGH bis anhin aber noch nicht entschieden.

Im Patentrecht ist es aus Sicht des Gerichts eine unumgängliche und notwendige Folge einer Patentverletzung, dass der Verletzer den Vertrieb des strittigen Produkts einstellen muss, bis er entweder eine Lizenz vom Patentinhaber erlangt hat oder eine nicht-verletzende Alternative entwickelt hat. Letzteres kann unter Umständen einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand mit sich bringen. Die damit verbundenen Härten für den Patentverletzer sind hinzunehmen.

Eine Aufbrauchfrist kann nur unter engen Voraussetzungen in Frage kommen. Eine Einschränkung der Wirkung des Patents durch Gewährung einer Aufbrauchfrist ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die wirtschaftlichen Folgen der sofortigen Befolgung des Unterlassungsgebots den Verletzer im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände über die mit seinem Ausspruch bestimmungsgemäss einhergehenden Beeinträchtigungen hinaus in einem Masse treffen und benachteiligen, das die unbedingte Untersagung als unzumutbar erscheinen lässt.

Weder die internationalen Verträge (TRIPS) noch die unionsrechtlichen Regelungen (Durchsetzungsrichtlinie) geben Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Die TRIPS Verträge richten sich in erster Linie an den Gesetzgeber. Der deutsche Gesetzgeber hat aber keinen Gebrauch von den Möglichkeiten gemacht, Ausnahmen bezüglich der Ausschliesslichkeitsrechte des Patentinhabers zu vorzusehen.

Die Durchsetzungsrichtlinie verlangt, dass die Mitgliedstaaten der EU faire und gerechte Massnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte vorsehen. Sie sollen keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigte Verzögerungen mit sich bringen und sie sollen wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein. Ferner sollen sie so angewendet werden, dass der rechtmässige Handel nicht eingeschränkt wird und Gewähr gegen Missbrauch gegeben ist.

Zwar steht die Durchsetzungsrichtlinie einer Aufbrauchfrist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht grundsätzlich entgegen. Aber die von den Verletzern vorgetragenen Aspekte rechtfertigen eine Aufbrauchfrist nicht.

Der Verletzungsgegenstand betrifft zwar nur ein einzelnes Element eines in einen komplexen Liefergegenstand (Fahrzeug) eingefügten Bauteils (Fahrzeugsitz). Aber das Heizsystem ist kein funktionswesentliches Bauteil, was schon die Tatsache zeigt, dass es als Sonderausstattungsmerkmal angeboten wird. Auch ist nicht ersichtlich, dass keine oder keine angemessenen Lizenzierungsmöglichkeiten bestanden. Und schliesslich ist auch nicht dargetan, inwiefern das Auslieferungsverbot gravierende und unverhältnismässige wirtschaftliche Auswirkungen auf den gesamten Geschäftsbetrieb oder auch nur in Bezug auf ein bestimmtes Segment ihrer Angebotspalette hätte.

Anmerkung: Mit diesem Urteil bekräftigt der BGH seine bisherige Praxis, die nachteiligen Folgen einer Patentverletzung nicht zugunsten des Verletzers abzumildern. Eine Patentverletzung wird also auch in Zukunft praktisch zwangsläufig mit einem unverzüglichen gerichtlichen Verbot gestoppt werden können.

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